Projekt Beschreibung

Kirgistan-Meer-Berge_Reisebericht_Journalist-Texter_Marlene-erhart.at

Kirgistan ist ein Land der Extreme – in vielerlei Hinsicht. Zwischen fruchtbaren Tiefebenen und eisbedeckten Gipfeln grasen die Herden der halbnomadisch lebenden Hirten.

Sobald die Sonne über die Berggipfel steigt, lässt sie einen die Kälte der kirgisischen Nacht vergessen. Die Strahlen heizen die trockenen Gräser der Steppe auf, lassen das Fell der freilaufenden Pferde schimmern und die Jurten mit den Gletschern der Gebirge um die Wette strahlen.

Auf 1600 Metern Seehöhe liegt mit dem Issyk-Kul der – nach dem Titicacasee in Südamerika – zweitgrößte Gebirgssee der Welt. Er ist von den schneebedeckten Gipfeln des Tian-Shan-Gebirges gesäumt, das Kirgistan auf einer Länge von 2500 Kilometern durchzieht. Seit jeher trägt er den Beinamen „das Herz des Tian-Shan“. Die Spitzen angrenzender Berge ragen 7000 Meter hoch – ein Panorama, das sich auch vom Strand des Sees bestaunen lässt.

Wer den Weg aus der Hauptstadt Bischkek zum Issyk-Kul antritt, verabschiedet sich an der Stadtgrenze für lange Zeit von der Zivilisation, zumindest von westlichen Annehmlichkeiten wie Supermärkten, Bankomaten oder asphaltierten Straßen. Im ganzen Land, das etwa zweieinhalb Mal die Fläche Österreichs und etwa 5,5 Millionen Einwohner hat, gibt es nur zwei durchgehend asphaltierte Verkehrsverbindungen – der Rest sind Schotterpisten. So auch die Passstraße südwestlich der Hauptstadt, die durch die Schatten imposanter Steilhänge verläuft und sich schließlich in Serpentinen auf rund 4000 Meter Seehöhe hochwindet. Die zwölf Grad Steigung sind zu viel für manchen Motor, am Straßenrand füllen Männer Kühlflüssigkeit, sprich Wasser aus den Gebirgsbächen, nach, während einige Autos augenscheinlich schon länger verlassen am Bankett stehen. Hinter einem Tunnel – in dem aufgrund fehlender Lüftungsanlagen immer wieder Menschen an Kohlenmonoxidvergiftung sterben – öffnet sich eine von fernen Gipfeln gesäumte Ebene, die einen die (europäische) Definition von unberührter Weite überdenken lässt. Die Natur hat scheinbar alle verfügbaren Farben und Formen ausgepackt, um den Übergang der teils goldgelben, teils blassgrünen Steppe zu sanften Faltengebirgen und spärlich bewachsenen, rötlich bis braun getünchten Felshängen zu gestalten. Kleine grüne Flecken markieren in der Ferne die wenigen Siedlungen, in denen sich Bauern niedergelassen haben.

Von Nomaden zu Bauern

Der Legende zufolge stammen die Kirgisen von 40 nomadischen Stämmen ab – Kyrk heißt im Kirgisischen 40. Kirgisisch, das eng mit dem Türkischen verwandt ist, wird in den Jurten viel gesprochen. Häufig hört man aber auch Russisch, die zweite Amtssprache und Erbe der Sowjet-Zeit – ebenso wie das Leben in dauerhaften Niederlassungen. Wirklich sesshaft wurden die Kirgisen erst in Zeiten der Sowjetunion, als befestigte Dörfer gebaut und die Menschen zu Bauern, Fabrik- oder Minenarbeitern wurden.

Die Mehrheit der Kirgisen bekennt sich zum Islam, wobei sich durch die lange Zugehörigkeit zur säkularen Sowjetunion auch viele Kirgisen als Atheisten verstehen. Die religiöse und kulturelle Vielfalt des Landes spiegelt sich eindrucksvoll in den Friedhöfen wider: Halbmonde und Sterne krönen die Gräber der muslimischen Verstorbenen, die letzten Ruhestätten der Nomaden gleichen ihren Jurten und sind – aus Lehm gemauert – so vergänglich wie ihre Wohnorte. Etliche der Kuppeln sind längst verwittert, dazwischen stehen Steintafeln, die das Antlitz Verstorbener zeigen.

Bis heute ist Kirgistan eine Art Vielvölkerstaat, in dem neben 65 Prozent Kirgisen auch Usbeken, Russen, Tadschiken, Uiguren oder Kasachen leben. Mit einem Durchschnittsalter von 26,2 Jahren ist die Bevölkerung sehr jung, die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 70,7 Jahren. Wobei die intensive Sonne, trockene Luft, kalter Wind, harte Arbeit und filterlose Zigaretten oft tiefe Falten in die Gesichter der Menschen graben und sie vielfach älter scheinen lassen, als sie tatsächlich sind.

In der Peripherie bestehen Siedlungen meist nur aus einer Handvoll Gehöften. Geschäfte, Tankstellen, Restaurants oder Werkstätten sucht man hier vergebens. Benzin wird auf Privathöfen in Fünfliterkanistern verkauft und mit einem Trichter eingefüllt. Lebensmittel, die am eigenen Hof nicht produziert werden können, werden im „Krämerladen“ angeboten: Meist handelt es sich dabei um eine kleine Kammer eines Bauernhofs, in deren Regalen neben Kartoffeln, Eiern, Nüssen, Süßigkeiten und Softdrinks vor allem Bier und Wodka prominente Plätze einnehmen.

Wer sich kein Einkommen durch Nahversorgung oder Benzinverkauf erwirtschaftet, hält nach Gelegenheitsjobs Ausschau. So auch der 55-jährige Tokin, der mit seiner Frau Dschilda und den Enkelsöhnen Daniel und Nouriel gut fünf Autostunden von Bischkek entfernt wohnt. Wie viele Großeltern passen sie auf ihre Enkel auf. Die Eltern des Drei- und des Vierjährigen arbeiten in Bischkek, wo die Chancen auf einen Job ebenso höher liegen wie der Verdienst. Auch angesichts des kleinen gemauerten Wohntraktes, der selbstgezimmerten Dusche im Garten (die Tokins ganzer Stolz ist) und der Absenz fließenden Wassers wird das Stadt-Land-Gefälle augenscheinlich. Der Tagesablauf ist jeglicher städtischer Hektik entrückt: Am Morgen kommt der Hirte, um die Kuhherde der Familie abzuholen, am Abend treibt er sie wieder von umliegenden Weiden zurück. Die Kinder spielen im Hof mit allem, was sie finden, Dschilda kocht Marmelade, bäckt Brot oder holt Wasser vom Bach hinter dem Haus, um die Wäsche am mit trockenen Kuhfladen befeuerten Holzofen auszukochen.

Teezeremonie mit Marmelade

Die Familie ist einer der ersten Beweise der vielzitierten kirgisischen Hilfsbereitschaft. Denn wenn etwa ein Lada unweit seines Hofs liegenbleibt, ist Tokin sofort zur Stelle, um die gestrandeten Reisenden in sein Heim einzuladen und ihnen zu versichern, er könne das Gefährt problemlos reparieren. Im Esszimmer, einem niedrigen Raum mit Lehmboden, Wasserkocher und Kochplatte, wird zuallererst Cay gereicht. Die Teeschalen werden traditionell immer nur zur Hälfte, dafür etliche Male hintereinander gefüllt – ansonsten würde (im kirgisischen Denken) der Eindruck entstehen, man sei in Eile. Am Tisch stehen Kristallschälchen mit selbstgemachten Marmeladen, einer Art Schlagobers und Honig, dazu gibt es frischgebackenes Weißbrot. Jeder Gast ist, einem kirgisischen Sprichwort zufolge, ein Geschenk des Himmels – und dementsprechend wird man mit Essen, Tee und Wodka versorgt. Diese Versorgung kann auch mehrere Tage andauern, besonders wenn sich ein völlig zerfressenes Kugellager als schwieriger zu reparieren herausstellt als anfangs gedacht. Die nötigen Ersatzteile werden dann nach einem Telefonat kurzerhand aus dem eine halbe Stunde entfernten Nachbardorf abgeholt. Mitgenommen wird dann auch gleich der befreundete Mechaniker, um den unwilligen Lada tatsächlich zum Laufen zu bringen.

In der Abgeschiedenheit ist der soziale Zusammenhalt stark, denn hier helfen einem oft nur die Kontakte zu den Nachbarn oder jene zum nächsten Dorf. Aus diesen Gefügen ist im Jahr 2000 auch das Programm „Community Based Tourism“ entstanden. Durch Öko-Tourismus-Angebote sollen vor allem entlegene Bergregionen eine Einkommensquelle und die Chance zur nachhaltigen Entwicklung erhalten. 300 Familien sind derzeit landesweit beteiligt und bieten Übernachtungen in ihren Häusern oder Jurten an, organisieren Wanderungen oder Ausflüge zu Pferd. In dem hochgelegenen Dorf Kyzyl-Oi haben Ahmad und seine Schwester einen Teil ihres Hofs in ein Gästehaus verwandelt. Jeder Übernachtungsgast bringt 700 Som, umgerechnet etwa 8,70 Euro. Im letzten Jahr haben sich die Buchungen beinahe verdoppelt, freuen sie sich.

Das kleine Kyzyl-Oi grünt und blüht in einer Umgebung, die von kargen Hochebenen und steilen Geröllhängen gezeichnet ist. Der Kniff, den Kirgisen wie kaum jemand beherrschen, ist es, die Ressourcen der Umgebung zu nutzen. Die zahlreichen Gebirgs- und Gletscherbäche werden in kleine Kanäle umgeleitet, die jedes Grundstück umschließen und eine konstante Bewässerung ermöglichen. Da zwei Drittel des Landes dauerhaft von Schnee und Eis bedeckt sind, sichert das Schmelzwasser neben der Versorgung mit Trinkwasser auch das Wachstum der Feldfrüchte. Etliche Täler präsentieren sich trotz enormer Höhenlagen als ungeahnt fruchtbare Landstriche.

Hoffen auf Arbeit

Weit ausholend führen die Straßen über Hochtäler oder Steilkurven zu den Pässen hinauf. Mit der Vegetation wird mancherorts auch der Alltag karger, besonders dort, wo Bergbau betrieben wird. Entlang der mit schwarzem Staub bedeckten Straße reihen sich bunt gestrichene an halb verrostete Waggons, in denen Minenarbeiter (einige mit Frau, Kindern und Hund) wohnen. In dem Steinkohlenwerk zwischen Kyzyl-Oi und Chaek war auch der 36-jährige Karsen einmal beschäftigt. In den vergangenen Monaten habe sich die Lage der Lkw-Fahrer aber verschlechtert, es wird weniger Personal gesucht, erzählt er. Vor einigen Jahren hatte er ein kleines Unternehmen, aber auch dafür war die Auftragslage zu dürftig.

Viele Kirgisen leben daher als Selbstversorger und finden ihr Auskommen in der Landwirtschaft und im Verkauf von Fleisch, Wolle oder auch Baumwolle. Entlang der Straßen verkaufen die Menschen Obst, Gemüse, Fisch, Honig oder Kurut – steinhart getrocknete und salzige Joghurt-Bällchen. Ein Gutteil der Arbeitsplätze (im Dienstleistungssektor) konzentriert sich in Städten wie Bischkek oder Osh, die auch die Bildungszentren darstellen. Wer studiert hat, bleibt meist hier oder arbeitet in russischen oder kasachischen Großstädten. Auch Karsen hofft auf die größere Nachfrage nach Arbeitskräften im urbanen Raum und stoppt deshalb nach Kochkor. Dort sei es leichter, zumindest einen Gelegenheitsjob zu ergattern.

Der Weg nach Kochkor führt über die Sommerweiden um den Gebirgssee Songköl auf gut 3000 Höhenmetern. Viele seiner Freunde und Bekannten leben dort mit ihren Viehherden ein halbnomadisches Leben, erklärt Karsen. Über die letzte, mit Edelweiß bestandene Anhöhe vor der Hochebene schwingt sich wie zur Begrüßung ein Steinadler in die Lüfte. Die Vögel waren und sind bis heute fest in der nomadischen Kultur verankert, traditionell wurden sie als Jagdhelfer trainiert, heute werden ihre Flugkünste an kulturellen Feiertagen präsentiert.

Im Alltag der Hirten mögen die Adler fehlen, ansonsten ähnelt das Leben noch stark jenem der nomadischen Vorfahren. Von Frühling bis Herbst ziehen sie mit ihren Herden zu den besten Weidegründen, und selbst im September stehen im Abstand von einigen hundert Metern noch einige Jurten in der Landschaft. Wer schulpflichtige Kinder hat, hat die Weiden schon verlassen. Kinder werden mit sieben Jahren eingeschult, in Hirtenfamilien beginnt ihre Ausbildung aber schon weitaus früher. Auf den Sommerweiden arbeitet jedes Familienmitglied, meist drei Generationen gemeinsam, mit. Kinder lernen schon im Alter von vier Jahren auf einem Esel das Reiten, bevor sie bei entsprechender Körpergröße auf die hochgewachsenen kirgisischen Pferde umsteigen. So ist es kein seltener Anblick, dass auch vierjährige Mädchen auf Eseln Schafherden zusammentreiben oder sechsjährige Buben zu Pferde Rinderherden durch die Landschaft dirigieren.

Auf der Sommerweide

Von den Berghängen bis zum Songköl ziehen etliche Rin- der- und Schafherden umher. Auf der Straße in einer gemächlich querenden Schafherde gefangen zu sein, gehört zum Lebensgefühl des Autofahrers. Der Großteil der Kirgisen bewegt sich ohnedies auf Pferden fort. Fährt man querfeldein durch die Steppe auf eine der Jurten oder das Seeufer zu, wird man einerseits von den Hunden der Nachbarjurten gejagt, andererseits von Pferden im Galopp überholt. Überall im Land trifft man auf Herden der stoisch im Wind stehenden und grasenden Tiere. Sie werden auch „die Flügel der Kirgisen“ genannt und haben in Mystik wie Alltag einen wichtigen Stellenwert inne, der teils bizarre Züge annimmt. Kaum ein Sport erfreut sich ähnlicher Beliebtheit wie der Nationalsport „Ooda-rysh“: das Pferde-Wrestling. Zwei kräftige Reiter treten an, um ihr Gegenüber aus dem Sattel zu werfen. Äußerst populär ist auch „Ulak-tartysh“, bei dem zwei Teams versuchen, sich, oft in wildem Galopp, gegenseitig eine tote Ziege abzujagen.

Es gibt kaum eine Jurte, vor der nicht ein Pferd stehen würde. Ab zwei Tieren lässt sich dann die kirgisische „Wegfahrsperre“ bewundern: Zwei Pferde werden am Zaumzeug in entgegengesetzter Richtung aneinandergebunden. Im Herbst liegen vor den Jurten meist auch trocknende Schafthäute in der Sonne. Vor dem Abtrieb der Herden ins Tal wird regelmäßig geschlachtet. Eingeweide werden ausgewaschen, Blut für die Hunde in Schälchen gefüllt und in den Jurten das frische Schaffleisch für Eintopf mit Karotten und Kartoffeln gehackt. Der schmort stundenlang über offenem Feuer am Ofen, während die Wartezeit mit Cay und Kumuz überbrückt wird. Kumuz gilt als Nationalgetränk Kirgistans: Es ist Stutenmilch, die in großen Holzfässern vergoren wird. Am ehesten lässt sich der Geschmack als eine Mischung aus flüssigem Rauchkäse, Ayran und Olivenlake beschreiben – nur etwas stärker vergoren.

Die Sitzordnung am niedrigen, rechteckigen Holztisch folgt Regeln, die noch aus dem nomadischen Erbe stammen. Der Bereich rechts vom Eingang ist den Frauen vorbehalten, hier lagern Kochutensilien, Wasserkocher, Pfannen – und der Herd. Daneben stehen auf einer Kommode auch Wasserkocher und Kochplatte, die mit den zwei bis drei Sonnenkollektoren betrieben werden, über die jede Jurte verfügt. Links vom Eingang hängen im den Männern zugeordneten Teil Jagdmesser, Jacken, Peitschen und eine Flinte. Der Platz gegenüber des Eingangs gebührt dem Ranghöchsten oder den Ehrengästen, von hier hat man die gesamte Jurte im Blick. Beim am weitesten verbreiteten Modell mit sechs Metern Durchmesser ist das eine Fläche von 28 Quadratmetern. Den höchsten Punkt bildet ein mit einem Ornament verziertes Belichtungsfenster, Tunduk genannt. Es dient zudem als Rauchfang und dazu, das Innere der Jurte zu klimatisieren. Zu finden ist das Ornament, das die Strahlen der Sonne und die Stämme Kirgistans symbolisiert, auch in der Landesflagge.

Den Aufbau einer Jurte schaffen zwei bis drei Leute innerhalb einer Stunde, der Abbau dauert etwa doppelt so lang. Mit rund 200 Kilo Gesamtgewicht kann das gepackte Heim mit zwei Pferden oder einem Kleinlaster transportiert werden. Auch Karsens Freunde werden spätestens Ende Oktober die Jurten abbauen und mit den Schafen und Pferden ins Tal ziehen. Denn mit Anfang November kommt der Schnee, der die Gebirgsstraßen der Umgebung bis April unpassierbar macht.

Das Meer der Kirgisen

Weiter nordöstlich liegen einige der höchsten Gipfel des Landes am Rande des Issyk-Kul. Vom Südufer aus blickt man gen Norden auf die Bergkette des Terskej-Alatau, während man die mächtigen Gipfel des Kungej-Alatau im Rücken hat. Aus diesem eindrucksvollen Einzugsgebiet münden 118 Flüsse, Gebirgsbäche und heiße Quellen in den 6236 Quadratkilometer großen Issyk-Kul. Aufgrund dieser Ausdehnung, seiner Tiefe von bis zu 668 Metern und der unzugänglichen Lage nutzte ihn Russland während der Sowjet-Zeit, um ungestört und unbeobachtet Torpedos zu testen. Entlang des rund 670 Kilometer langen Ufers entstanden gleichzeitig Sanatorien und gigantische Ferienanlagen mit Freilichttheatern, Sportstätten und Spielplätzen. Heute verfallen die ehemaligen Erholungszentren. Als Besuchermagnet hat der See mit seinen Stränden und dem Wellengang aber keineswegs ausgedient. Schließlich gilt er als das Meer der Kirgisen.

Die Legende seiner Entstehung erzählt von einem König mit Eselsohren, der all seine Barbiere nach getaner Arbeit hinrichten ließ, um sein beschämendes Geheimnis zu wahren. Einer der Männer überlebte jedoch und flüsterte das Geheimnis des Königs in einen Brunnen. Er vergaß, den Brunnen abzudecken, woraufhin das Wasser unaufhörlich stieg und das gesamte Reich überflutete.

Es kam einer Sensation gleich, als Forscher 2007 im Issyk-Kul die Überreste einer versunkenen Stadt entdeckten. Archäologen sprechen von einer 2500 Jahre alten, hoch entwickelten Zivilisation. Bislang konnten am Grund des Sees eine 500 Meter lange Stadtmauer und Spuren einer mehrere Quadratkilometer großen Siedlung ausgemacht werden. Unter den geborgenen Gegenständen finden sich gut erhaltene Äxte, Pfeilspitzen sowie Dolche aus Bronze. Hinzu kommen Fundstücke, die als die ältesten erhaltenen Münzen der Welt identifiziert wurden.

Der See hat neben seinem historischen auch ganz realen Wert: Issyk-Kul bedeutet soviel wie „warmer See“, und tatsächlich friert das Gewässer trotz Lufttemperaturen jenseits des Gefrierpunkts nicht zu. Da der See keinen Abfluss hat, liegt sein Salzgehalt aufgrund der Verdunstung bei rund 0,6 Prozent, auch die Durchmischung von Oberflächen- und Tiefenwasser geschieht schnell und verhindert das Entstehen einer Eisschicht. Fischern sichert dieser Umstand ganzjährig zumindest ein kleines Einkommen, denn der Fang wird – mit Salz eingerieben – rund um den See in Mini-Märkten und an Straßenständen verkauft. Bis in den September kommen Groß und Klein zum Baden – bei knapp 30 Grad im Schatten eine willkommene, wenngleich eher laue, Abkühlung. Die Freude der Strandbesucher trübt das keineswegs, denn auch wenn das Leben manchmal beschwerlich ist, so seien sie zumindest immer nie am Meer, schmunzeln die Kirgisen.

Erschienen im Universum Magazin, Oktober 2017
Kirgistan-Meer-Berge_Reisebericht_Journalist-Texter_Marlene-erhart.at
Kirgistan-Berge-Wüste_Reisebericht_Journalist-Texter_Marlene-erhart.at
Kirgistan_Reisebericht_Journalist-Texter_Marlene-erhart.at
Kirgistan-Berge_Reisebericht_Journalist-Texter_Marlene-erhart.at
zur PDF Ansicht

Entdecken Sie weitere Artikel aus meinem Portfolio: