Projekt Beschreibung

Im Untergrund und in den Urwäldern der mexikanischen Yucatán-Halbinsel schlummern unzählige Relikte der Maya-Kultur. Ihrer Bergung stehen finanzielle, bürokratische und geografische Hürden im Weg. Ausgerüstet mit Drohnen, Taucheranzügen oder Macheten bahnen sich waghalsige Forscher dennoch Pfade zu alten Mythen und neuem Wissen.
Dschungel, so weit das Auge reicht. in welche Himmelsrichtung man den Blick auch schweifen lässt, begrenzt erst der Horizont das Grün des Blättermeeres. Wie verloren wirken die verwitterten Paläste, die wie steinerne Inseln aus dem Urwald ragen. Es ist ein außergewöhnliches Panorama, das sich jenen bietet, die es auf das größte erhaltene Gebäude der Maya-Kultur im Norden der Halbinsel Yucatán schaffen: die Akropolis von Ek Balam. Schon in den Morgenstunden führen einem der Auf- und Abstieg über unzählige hohe Stufen die Endlichkeit des Lebens vor Augen – wenn einem vor diesen nicht gerade schwarz geworden ist. In regelmäßigen Abständen rasten Besucher keuchend auf den hohen Steinstufen, fächern sich verzweifelt Luft zu, ziehen die Sonnenhüte tiefer ins Gesicht oder blicken sehnsüchtig zum schattigen Waldboden.
Die Akropolis (archäologisch auch Gebäude Nr. 1 genannt) überragt mit ihren 31 Metern Höhe die Ausgrabungsstätte Ek Balam weit. Im vierten von sechs Stockwerken liegen zu beiden Seiten der Zentraltreppe gewaltige Schlangenmaul-Eingänge, deren Stuckrelief teils noch original erhalten ist. Aus der reich verzierten Fassade ragen stehende und vollplastisch ausgeführte Figuren – eine gestalterische Raffinesse, mit der keine andere Stätte aufwarten kann. In Inschriften wird das einmalige Gebäude Sac Xoc Naj genannt, was übersetzt „Weißes Haus des Lernens“ bedeutet. Dass es sich bei den Maya um keine homogene Gruppe, sondern um viele, oft verfeindete Stämme gehandelt hat, belegen auch die individuellen architektonischen Ausprägungen einzelner Siedlungsorte.
Regengott als Raubgut?
„Wir haben sehr wenig gesichertes Wissen über die Maya, es gibt nur wenige überlieferte Schriften mit Glyphen, die teilweise übersetzt werden konnten, und einige Aufzeichnungen der Spanier“, sagt die angehende Archäologin Eileen. Sie wandert mit einer Reisegruppe im Schlepptau über den Hauptplatz von Ek Balam, erklärt einzelne Ruinen wie auch die schwierige Ausgangssituation für die Forschung. „Was wir über die hier lebenden Maya sagen können, beruht größtenteils auf Vermutungen“, gesteht sie und blickt in erstaunte Gesichter.
Eileen nennt ein Beispiel: „Auf der Spitze eines der bisher freigelegten Gebäude wurde eine Jadestatue des Gottes Chac gefunden.“ Manchen Experten gelte diese Statue als Beweis dafür, dass es sich bei dem besagten Gemäuer um den Tempel des Regengottes gehandelt habe. „Aber was, wenn das Abbild nur zufällig an dieser Stelle zurückgeblieben ist, dort vergessen wurde oder gar geraubt war?“, fragt sie in die Runde. Antworten erwartet sie nicht, die können selbst bestens bewanderte Archäologen kaum geben.
Durch Vergleiche der Architektur Ek Balams mit anderen Kultstätten oder Radiokarbondatierungen einzelner Funde stünden zumindest Methoden für die zeitliche Eingrenzung der Besiedlung zur Verfügung. So weiß man heute, dass die frühesten Siedlungsspuren in die Zeit von 100 bis 300 n. Chr. zurückreichen. Ihre Blütezeit erlebte die Stadt, deren Name im yukatekischen Maya „Schwarzer Jaguar“ bedeutet, in den Jahren 700 bis 1000. „Immens vieles, das uns Aufschluss über die Bewohner der Siedlung, ihre Entwicklung und die Bedeutung geben könnte, liegt noch im Boden“, schildert Eileen. Das wären etwa zwei Baukomplexe, die in rechtem Winkel zur Akropolis liegen, ähnlich gestaltet sind, rund 100 Meter lang sind und eine Höhe von mehr als 20 Metern aufweisen. Sichtbar sind davon nur einzelne Wandteile, die aus dem Schutt ragen, denn als Ek Balam ab 1994 erforscht und zu Teilen freigelegt wurde, blieben die Gebäude 2 und 3 unangetastet.
„Ausgrabungen sind wegen der Finanzierung und der Bürokratie nur sehr mühsam voranzutreiben“, so Eileen. Es scheint ein omnipräsentes Problem zu sein: Egal, ob im vergleichsweise unbekannten Ek Balam oder im überlaufenen Chichén Itzá, in Coba im Osten, in Uxmal im Westen oder in Río Bec im Süden – überall erzählen Wissenschaftler die gleiche Geschichte: Der archäologische Fortschritt scheitert am mangelnden Geld und der überbordenden Bürokratie.
Realer und bürokratischer Dschungel
Auf der Yucatán-Halbinsel kann man kaum eine längere Strecke zurücklegen, ohne an mindestens einer Maya-Stätte vorbeizukommen. Ruinen übersähen die drei Bundesstaaten Quintana Roo, Yucatán und Champeche, die zusammen die Halbinsel zwischen dem Karibischen Meer und dem Golf von Mexiko bilden. Die Besiedelung dieser Region durch die Maya lässt sich ab etwa 500 v. Chr. nachweisen, die Wiege der Kultur wird im heutigen Guatemala vermutet. Bis ins neunte Jahrhundert hatte die mächtige Hochkultur weite Teile der Halbinsel erschlossen. Zwischen dem 9. und 10. Jahrhundert kam es dann zu rapiden Bevölkerungsverlusten, deren Ursache bis heute nicht restlos geklärt ist. Ein heiß diskutierter Ansatz sieht nicht-ökologische Umstände wie Epidemien oder eine Invasion der Tolteken als Auslöser für den langsamen Niedergang, ein anderer geht von ökologischen Gründen wie Dürre, Klimaveränderung und dem folgenden Nahrungsmangel als Auslöser des Zusammenbruchs aus.
Die Registrierung und Verwaltung historischer Denkmäler und archäologisch relevanter Fundorte wird in Mexiko zentral vom 1939 gegründeten Nationalinstitut für Anthropologie und Geschichte (INAH) gesteuert. Landesweit verfügt es über 31 Regionalbüros und unterhält (per Jänner 2018) 189 für die Öffentlichkeit geöffnete archäologische Zonen. Im Register scheinen jedoch 29.000 archäologische Stätten auf, die bislang entdeckt wurden. Und das sind bei Weitem nicht alle, wie der ehemalige Koordinator archäologischer Ausgrabungsstätten des INAH Alejandro Martínez Muriel betont: „Rund 30 Prozent der Landfläche sind erforscht, und wir schätzen, dass noch mindestens 100.000 Stätten unentdeckt sind.“
Eines der vielversprechendsten Gebiete ist das im Norden des Bundesstaates Campeche gelegene Biosphärenreservat Calakmul, das sowohl UNESCO Weltkultur- als auch Naturkulturerbe ist. Archäologen stellt das Schutzgebiet vor eine schweißtreibende Suche nach der Nadel im Heuhaufen – und es zeigt, weshalb die Kosten für Expeditionen Unsummen verschlingen. 7231 Quadratkilometer dichter, immergrüner Regenwald, unwegsames und von Sümpfen durchsetztes Gelände erwarten Wissenschaftler hier und machen schweres Gerät, teure Ausrüstung und zahlreiche Mitarbeiter erforderlich.
Große Erfolge verbucht das 1996 gestartete Southeast Campeche Archaeological Reconnaissance Project, in dessen Rahmen gut 80 historische Stätten entdeckt wurden. Bei einigen wusste man um ihre Existenz, andere galten mehr als Mythos denn als real existierende Siedlungen, über wieder andere stolperten Forscher quasi zufällig. Zuletzt gelang es dem slowenischen Archäologen Ivan Šprajc im August 2014 in dem Gebiet zwei bisher verschollen geglaubte Maya-Städte zu lokalisieren. Eine davon war das geheimnisumwitterte Lagunita, auf das nur einige vierzig Jahre alte handgezeichnete Skizzen hinwiesen. Ausgangspunkt für die Funde waren schließlich Luftbildaufnahmen von Calakmul. Doch selbst wenn aus der Vogelperspektive interessante Strukturen auffallen, ist das nicht einmal die halbe Miete – man muss auch erst einmal dorthin gelangen. Ausgerüstet mit Macheten, geländegängigen Quads, Allrad-Jeeps und Abschleppseilen bahnen sich die Forschertrupps Meter für Meter ihren Pfad durch dichtes, dornenreiches Gestrüpp. In diesem Wirrwarr sehe man keine sechs Meter weit, beschreibt Šprajc sein herausforderndes Forschungsfeld. Vier Wochen dauerte es, bis er und sein Team im Sommer 2014 eine aufgelassene und völlig zugewachsene Waldstraße freigelegt hatten, um letztlich zu den Ruinen zu gelangen.
100 Jahre Rätselraten
Neben neu entdeckten Siedlungen bergen auch bereits bekannte Ausgrabungsstätten nach wie vor Geheimnisse. Oftmals müssen erste Annahmen revidiert werden, wie die berühmte Maya-Metropole Chichén Itzá zeigt. Selbst nach mehr als einem Jahrhundert der Erforschung durch Abenteurer und Archäologen werden laufend neue Erkenntnisse gewonnen. Im Lauf der Jahre dachte man zuerst, eine wichtige Universitätsstadt freigelegt zu haben, später wurde spekuliert, dass es sich bei der Ruinenstätte um die Hauptstadt des Maya-Reichs gehandelt haben könnte. Heute wird der zweitmeistbesuchten Ausgrabungsstätte Mexikos der Status einer einflussreichen Polit- und Handelsmacht zugeschrieben.
Auf dem Gelände des UNESCO-Welterbes befinden sich noch immer nicht ausgegrabene Bauten, auch ist der Großteil des 1547 Hektar großen Areals für Besucher gesperrt – und das aus gutem Grund: „Durch die Übernutzung der berühmtesten Stätten, die täglich von tausenden Menschen besucht werden, gehen originale Elemente wie Böden, Wände oder Stuckaturen dauerhaft verloren“, heißt es in einer Stellungnahme des INAH.
In den 1980er-Jahren durften Besucher noch auf die freigelegten Bauwerke steigen, unweit der historischen Stätte landeten Kleinflugzeuge. Die Vibrationen bei Start und Landung ließen Risse in den Strukturen entstehen, bis schließlich Wände und Stufen zu bröckeln begannen. An der 30 Meter hohen Stufenpyramide, landläufig als El Castillo (spanisch für Schloss oder Burg) bezeichnet, sind noch heute die abgebrochenen Treppenränder zu sehen. Große Schäden richteten auch kleine Berührungen an: Dass Schweiß und Fett auf der Haut die empfindlichen Gemäuer angreifen, bemerkten Forscher erst relativ spät. Heute trennt ein Draht um die Hauptgebäude Touristen vom architektonischen Erbe der Maya.
Es braucht den Röntgenblick
Den Status quo bestmöglich zu erhalten und Artefakte dennoch zu untersuchen – das ist der Spagat, den die Wissenschaft dieser Tage vollführen muss. Unterstützung erhalten Archäologen von Ingenieuren und Technikern, die sogenannte „low-impact“-Technologien entwickeln. Diese erlauben es, Artefakte zu lokalisieren und zu studieren, ohne sie freilegen oder bewegen zu müssen. Mit einer dieser revolutionären Methoden, einem kurz LiDAR genannten Lasersystem, wurde im Februar eine bisher unbekannte Maya-Stätte mit 60.000 Bauwerken im dichten Urwald Guatemalas entdeckt. Weiters arbeitet die Archäologie mit Bodenradar (GPR), Drohnen, Laserscannern, thermischen Sensoren oder Sonar. In Chichén Itzá versucht man damit nun, das Labyrinth wasserführender Höhlen zu vermessen, das unter El Castillo vermutet wird.
Hinweise darauf gibt schon der Name der Metropole: Er entstammt dem yukatekischen Maya („Mayathan“), bedeutet „Am Rande des Brunnens der Itzá“ und zeigt, dass der Standort keineswegs zufällig gewählt wurde. Das Zentrum liegt zwischen zwei dolinenartigen Kalksteinlöchern, die durch den Einsturz einer Höhlendecke entstanden und mit Süßwasser gefüllt sind. Im Schnitt haben sie eine Tiefe von 15 Metern, sie können auch mehr als 100 Meter tief sein.
In präkolumbianischer Zeit besaßen die als „Cenotes“ bekannten Öffnungen enormen Stellenwert. Einerseits dienten sie als Trinkwasserspeicher, andererseits galten sie als Verbindung zur Götterwelt und wurden daher als religiöse Opferstätten genutzt. Als begabte Schmiede fütterten die Maya ihre Götter mit Goldschmuck, in ihrem starken Glauben an ein Leben nach dem Tod brachten sie ihnen auch Menschenopfer dar. Vom Grund der beiden Cenotes von Chichén Itzá wurden dementsprechend Gold sowie Menschenknochen geborgen.
Archäologie mit der Taucherbrille
Bei jeder Niederlassung der Maya befinden sich im Umkreis weniger Kilometer meist mehrere Cenotes, in denen zum Teil Keramiken, Figurinen und andere Artefakte gefunden wurden. Wie so oft sind jedoch bei Weitem nicht alle der Einsturzlöcher verzeichnet, ihre Zahl auf der gesamten Halbinsel wird von offiziellen Stellen auf 10.000 geschätzt. Bekannt ist bisher knapp über die Hälfte.
Was Wissenschaftler auf der Yucatán-Halbinsel oberirdisch in Form unwirtlicher Urwälder erwartet, spiegelt sich unterirdisch in einem Labyrinth gefluteter Gänge, Spalten und Kammern wider. Und auch dieser Irrgarten gilt der Feldforschung als lohnendes Ziel: im Februar machte eine Gruppe von Archäologen, Höhlenforschern und Tauchern unweit der Urlauberhochburg Playa del Carmen das mit 347 Kilometern Ausdehnung längste Unterwasser-Höhlensystem der Welt aus. „Zweifellos ist das Sac Actun-System die archäologisch bedeutendste Unterwasserfundstelle der Welt“, so Guillermo de Anda, INAH- Experte für Unterwasserarchäologe. Bislang fanden er und sein Team an 138 Stellen Spuren der Maya, darunter Tongefäße und Knochen, die derzeit genauer untersucht werden.
Die Expeditionen fördern neben kulturhistorisch bedeutenden Funden auch Spuren der heutigen Zivilisation zutage. Bei einem Tauchgang stellte das Team um De Anda in einer Höhle einen auffällig erhöhten Säuregehalt des Wassers fest, vermutlich verursacht durch einsickernde Abflüsse einer nahen Mülldeponie. Umweltverschmutzung gefährde das kristallklare Wasser der Cenotes und damit auch die historischen und prähistorischen Artefakte, die noch im Untergrund liegen, mahnt De Anda. Als Direktor des Gran Acuifero Maya (GAM) steht er an der Spitze eines Projekts, das sowohl die Erforschung als auch den Schutz des subterranen Wassers der Yucatán-Halbinsel verfolgt.
Das Sac Actun-System steht beispielsweise mit 248 Cenotes in Verbindung, unter ihnen Touristenmagneten wie Sac Actun („Weiße Höhle“) und die Zwillings-Cenotes Dos Ojos nahe der Ausgrabungsstätte Tulum. Sonnencreme und Körperausscheidungen sind der Wasserqualität und dem Leben in den Cenotes schon nicht zuträglich. Die größte Gefahr für den Fortbestand der ehemals als heilig betrachteten Stätten und die Schätze, die sie bergen, gehe laut INAH indes vom rasant steigenden Landverbrauch für Wohnraum und Infrastruktur aus. Entlang der Karibikküste präsentieren sich schon heute etliche Cenotes mit verschiedensten Tauch-Touren, Unterwasser-Fotoshootings oder Flying-Fox-Anlagen (einer Stahlseilrutsche) eher als Vergnügungspark denn als schützenswertes Naturwunder.
Viele Einheimische stören sich an der Praxis der Verwaltung ehemaliger Maya-Stätten, etwa jener in der Küstenstadt Tulum. Alleine im Jahr 2017 besuchten 2,2 Millionen Menschen die archäologische Zone und genossen den malerischen Blick von den Ruinen auf das türkise Meer der Karibik. Klagen darüber, dass große Teile der Einnahmen in private Taschen gewirtschaftet würden, kommen immer wieder auf.
Vertuscht und verdrängt?
Auch schwelt im Verborgenen ein gesellschaftlicher Konflikt, der dem Thema Archäologie Brisanz verleiht: die Rolle der heutigen Maya. Es gibt viele Nachfahren der Maya-Stämme. Die größten Gemeinschaften bilden die Mayathan mit etwa 800.000 Angehörigen, die Tzeltal mit rund 470.000 Angehörigen und die Tzotzil mit etwa 430.000 Mitgliedern. Ein Recht auf Mitsprache bei Erforschung, Konservierung und Nutzung historischer Stätten haben sie nicht.
Eine der vielen – oft ungehörten – Stimmen ist jene des Autors und Soziologen Pedro Pablo Chim Bacab, der literarische Texte in yukatekischem Maya verfasst. Als Nachfahre der einstigen Hochkultur fallen ihm manche Parallelen zur Historie geradezu schmerzlich auf: „In der Vergangenheit hieß es seitens der Europäer, sie brächten uns das Geschenk der Zivilisation. Heute heißt es, sie bringen uns Tourismus und Geld und durch Ausgrabungen das Wissen über unsere eigene Kultur“, sagt er kopfschüttelnd. Damit entstünde ein Gefühl der verpflichtenden Dankbarkeit, so der Autor. ihm ist auch die Erwartungshaltung mancher ausländischer Archäologen ein Dorn im Auge. „Sie geben dir den Eindruck, als wärst du ihnen etwas schuldig, in deiner Rolle als Indigener sollst du möglichst keine Fragen stellen und dich schon gar nicht kritisch zu ihren Interpretationen und Vorgehensweisen äußern.“
Um diese heikle Lage wissen auch Experten des INAH, mexikanische wie ausländische Archäologen. Jedes Jahr werden in Mexiko rund 600 archäologische Projekte gestartet, 80 Prozent davon werden vom iNAH geleitet, jeweils zehn Prozent von mexikanischen und ausländischen Instituten. Der Großteil internationaler Forscher stammt aus den USA, Frankreich und Kanada. In einer Abhandlung zur Archäologie in Mexiko rückte ein internationales Wissenschaftskonsortium das Verhältnis zwischen Forschern und Maya-Erben bereits vor zehn Jahren in den Mittelpunkt. Ansässige Wissenschaftler führen in dieser Frage gerne die rechtliche Lage im US-Bundesstaat New Mexico als Vergleich an: Dort werden indigene Gruppen gesetzlich anerkannt, was ihnen ein Mitspracherecht bei der Verwaltung ihres kulturellen Erbes einräumt.
Auf bloßes Glück oder Gnade wollen sich einzelne Mayagruppen jedoch nicht verlassen und so beansprucht etwa die Zapatistas-Bewegung (EZLN) im südöstlichen Bundesstaat Chiapas, als rechtmäßige Erben der alten Maya anerkannt zu werden: „Die indigene Bevölkerung soll eine adäquate Ausbildung erhalten, um antike Maya-Stätten selbst verwalten zu können. Das würde zum Einkommen beigetragen, die Einnahmen aus dem Tourismus gerecht verteilen und finanzielle Unabhängigkeit gewähren“, so die EZLN.
Vor allem die ökonomische Sicherheit ist ein wesentlicher Punkt, denn oftmals führen die Mitglieder der Maya-Stämme ein ärmliches Schattendasein. Je nach Region leben sie vom Fischfang, vom Maisanbau oder als fliegende Händler vom Verkauf geschnitzter und getöpferter Kunstgegenstände. Besonders die junge Generation hat den Tourismus als Chance erkannt, viele von ihnen arbeiten als Guide, Kellner, Rezeptionistin oder Hostel-Manager. Dabei suchen sie auch aktiv das Gespräch, das nach wenigen Sätzen meist auf die Errungenschaften ihrer Ahnen kommt. Was man denn von der Kultur der Maya wisse, ist meist eine der ersten Fragen. Mit strahlenden Augen erzählen sie dann vom Wissen ihrer Vorfahren, von der spirituellen Verbindung zur Natur und nicht zuletzt den fantastischen Bauwerken, die ohne Maschinen errichtet wurden.
Wehmut klingt nicht aus ihren Geschichten, vielmehr ist es der Stolz auf eine besondere Abstammung, der Blick auf eine große Vergangenheit und der unerschütterliche Glaube an eine ebenso große Zukunft.
Erschienen im Universum Magazin, Mai 2018



