Projekt Beschreibung

Hund Schnauze Riechen Journalist Texter marlene-erhart.at

Ob Drogen, Bargeld, Zigaretten oder geschützte Arten: Bei der Suche nach geschmuggelten Waren unterstützen Spürhunde Österreichs Zollbeamte an Grenzübergängen, bei Kontrollen auf Bundesstraßen, Autobahnen und deren Raststätten – und nicht zuletzt an Flughäfen. Wie die wichtigsten „Waffen“ im Kampf gegen Schmuggler ausgebildet werden, zeigt ein Lokalaugenschein beim Training am Flughafen Wien.

Es ist zugig und laut in der Cargo-Halle des Flughafens Wien Schwechat. Wenn eine große Transportmaschine landet, stapeln sich hier Paletten, Kisten und Kartons voller Handelswaren bis unters Dach. Auch an diesem Herbstmorgen werden Schachteln aufgetürmt – allerdings nicht, um verladen zu werden. Hinter einem Berg aus Kartons versteckt ein Zollbeamter gerade 120 Stangen Zigaretten. Heute ist die riesige Halle Schauplatz des Spürhunde-Trainings.

„Wir machen es dem Hund nicht leicht“, grinst Rudolf Druml und begutachtet noch einmal die Verstecke. Seit nunmehr 20 Jahren ist er Bundesleiter des Diensthundewesens und damit für alle Spürhunde verantwortlich, die in Österreich ihren Dienst beim Zoll verrichten.

Jeder Hund wird auf zwei Arten von Gerüchen – darunter Zigaretten, Bargeld und Drogen – konditioniert. 15 verschiedene Drogen kann ein ausgebildeter Spürhund letztlich ab einer Menge von rund fünf Gramm erschnüffeln, von Haschisch über Ecstasy, Kokain und Heroin bis hin zu Crystal Meth, egal ob die Substanzen gestreckt sind oder nicht. Um diese Leistung zu erzielen, arbeiten Druml und sein Team ausschließlich mit positiver Bestätigung. Genutzt werden dazu Futterbelohnungen, Klicker und Spielzeug, wobei mit Letzterem vorsichtig verfahren wird. Das „Beiß-Würschtl“ gibt’s nur, wenn der Hund nicht zu aufgedreht ist. „Sonst steigert sich der Spieltrieb zu hoch“, so Druml, der sowohl die Auswahl als auch die Ausbildung künftiger Spürhunde verantwortet.

Verspielte Staatsbedienstete

Um für die Ausbildung als Spürhund ausgewählt zu werden, ist ein ausgeprägter Spiel- und Beutetrieb bei den Tieren unverzichtbar. „Dann macht ihnen die Arbeit Spaß, und die Suche wird zum Vergnügen“, so Druml. Er zeigt auf einen der trainierenden und ausgesprochen agil vorgehenden Tabak-Spürhunde, der auf Kisten springt, zwischen Paletten herumwuselt und überall mit der Nase dran ist. „Du siehst, mit welcher Freude der Hund sucht, die Rute geht ständig und man merkt: Der will das Gesuchte finden.“

Wie sich an diesem Tag noch mehrmals zeigen wird, sitzen die Hunde nicht gerne still. Ein sehr verspieltes Wesen ist ihnen gemein. Unterschiede bestehen dagegen im trainierten Anzeigeverhalten, das entweder aktiv oder passiv sein kann. „Aktive Hunde wollen durch Kratzen oder Beißen zum Fundgegenstand kommen, die werden dann auch körperlich richtig aktiv“, so Druml. Beim passiven Anzeigeverhalten, das mittlerweile als „Goldstandard“ gilt, geht der Hund hingegen mit der Nase zur Geruchsquelle und verharrt. „Wenn er verharrt und ausdauernd den Fund mit dem Blick fixiert, erkennt der Hundeführer, dass der Hund fündig wurde“, erklärt Druml die Kommunikation im Mensch-Spürhund-Team.

Von Hunden und Papageien

Es geht weiter zur tierärztlichen Station in der Cargo-Halle, wo Druml zwischen Paletten ein Glas (das kaum Eigengeruch hat) voll bunter Federn in eine Nische schiebt. Zollbeamtin Regina betritt mit Artenschutz-Spürhund Lord den Schauplatz. Innerhalb der Hundestaffel gelten diese Schnüffler als Spezialisten, die nur auf das Finden geschützter Arten trainiert sind. Wobei auch deren Nasen auf 20 Gerüche – von Reptilien, Greifvogel-Federn und Papageien-Eiern über Elfenbein, Leguan und Nashorn bis hin zu Kroko-Taschen und Schlangenlederstiefeln – trainiert wurden. Das Erkennen dieser Gerüche geht oft blitzschnell: Im Handumdrehen steht der im Dienst bereits bewanderte Hund reglos mit der Schnauze am Versteck. Aktive Hunde wären hier nicht sinnvoll, da Passagiere artengeschützte Tiere teils sogar am Körper transportieren, plaudert Druml aus dem Nähkästchen. „Dann hätte das Tier zwar den Transport überlebt, nicht aber die Kontrolle“, lacht er.

Nach der erfolgreichen Suche lässt sich Lord ausgiebig von den Umstehenden kraulen, lehnt sich verschnaufend an die Beine und genießt die Streicheleinheiten. Der Deutsch Kurzhaar steht mittlerweile fast am Ende seiner aktiven Karriere. In Pension gehen die Vierbeiner mit etwa zehn Jahren und bleiben dann bei ihren Hundeführern. Ob den Tieren dann nicht fad sei? „Das ist wie bei Menschen, der eine freut sich über die Pension, dem anderen ist es zu Hau- se zu langweilig“, so Druml. Schlimm sei es für einen Spürhund a.D. mitunter, wenn der Diensthundeführer die Dienstkleidung anzieht und den jungen „Nachfolgehund“ ins Auto verlädt, erzählt einer der Hundeführer. Sein alter Diensthund habe dabei anfangs immer ziemlich gewinselt, sich dann aber doch schnell an den Ruhestand gewöhnt.

Das liebe Geld in der Unterhose

In den vergangenen Jahren hat der Schmuggel von Bargeld stark zugenommen, erzählen die Zollbeamten. Damit die Vierbeiner nicht gleich auf jede Geldbörse hinweisen, werden sie auf Mindestmengen an Duftstoffen konditioniert. Beim Bargeld werden die Spürhunde auf Geruchsträger großer Geldmengen, etwa ab 10.000 Euro trainiert, die bei Ein- und Ausfuhr in und aus der EU meldepflichtig sind. Um die Suche nach derartigen Summen zu üben, wurden Druml und seinem Team rund 50 Millionen Euro (durch Aufdrucke entwertete Banknoten) von der Österreichischen Nationalbank zur Verfügung gestellt.

Beliebte Verstecke für Bargeld seien übrigens BHs, Unterhosen und Socken, erzählt Druml, während ich für die folgende Übung vorbereitet werde. Ich bekomme einen Beutel mit Unsummen von Bargeld umgehängt – leider in kleinen, Reißwolf-gefertigten Schnipseln – und nehme zwischen den wartenden Passagieren am Gate Platz. Vito, ein Deutsch Kurzhaar, arbeitet sich durch die Reihen vor, um dann bewegungslos vor mir zu verharren. Beim zweiten Durchlauf mische ich mich unter Urlauber, die soeben aus dem Flieger steigen. Auch hier stellt mich der Spürhund. Ganz klar als Bargeld-Kurierin macht mich Vito auch aus, als ich mich unbeteiligt zu einer tratschenden Touristengruppe stelle. Die Herren sind von dem Hund ganz entzückt, der die säuselnden Stimmen allerdings ignoriert und wiederum reglos vor mir stehen bleibt. Dieser Durchlauf war ein voller Erfolg, freut sich auch Hundeführer Jürgen.

Neue und alte Tricks

Natürlich schlafen auch Schmuggler nicht und verfeinern ihre Methoden stetig. Vor einiger Zeit bemerkten Druml und seine Kollegen, dass Drogen wie auch Bargeld zunehmend in doppelt und dreifach eingeschweißten Plastiksackerln transportiert werden. Kurzerhand kaufte Druml für die Trainer Vakuumiergeräte, mit denen nun etwa Drogen eingeschweißt werden. Die Hunde haben gelernt, auch den Einschweiß-Geruch mit den Drogen zu verbinden, und seither werden die Teams wieder vermehrt fündig. „Wir sind manchmal hinterher, aber nie weiter als einen halben Schritt“, lacht Druml. Die Arbeitsweisen adaptiert er – auch im regen Austausch mit Kollegen aus dem Ausland – permanent.

Auch mit Düften, die die Spürhunde verwirren sollen, kennt er sich bestens aus. Drogen versteckt in Kaffeedosen oder Pasteten sind nur einige der Beispiele, die er nennt. Aussichtsreicher wird Schmuggel dadurch allerdings nicht: „Wir legen manchmal eine Büroklammer über Nacht in eine Dose mit reinem Heroin oder Kokain, damit das Metall den Geruch annimmt“, erklärt Druml. Trainiert und präpariert wird hierbei mit Reinsubstanzen, die vom Zoll beschlagnahmt wurden. Und ja, selbst die Büroklammer finden die Hunde. Es habe bisher viele technische Geräte gegeben, die dem Hund gegenübergestellt wurden, meint Druml dazu: „Aber keines davon ist bei der Zeit und der Verlässlichkeit auch nur annähernd an den Hund herangekommen.“

Doch: „Man findet nicht mehr so leicht geeignete Leute, die sich diese Arbeit als Hundeführer antun wollen“, so Druml. Voraussetzung für Bewerber sei zudem eine überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft, da sie zu jeder Tages- und Nachtzeit für die Kollegen beim Zoll verfügbar sein müssen. „Wenn sich bei Kontrollen Verdachtsmomente auf den Transport illegaler Waren ergeben und man nicht selbst fündig wird, werden zur Unterstützung die vierbeinigen Kollegen angefordert.“ An oberster Stelle für die Zuweisung eines Diensthundes steht die Liebe zum Tier – wobei letztlich der gesamte Tagesablauf mit eingebunden werden muss. „Den Hund kann ich nicht wie eine Waffe in den Schrank sperren. Ich muss Tag und Nacht für ihn da sein.“ Stefan, der seit drei Jahren beim Zoll und seit wenigen Monaten in der Ausbildung zum Hundeführer ist, war schon im Alter von zwölf Jahren im Hundesport aktiv. In der fordernden Arbeit des Hundeführers hat er seinen Traumberuf gefunden.

Am laufenden Band

Die letzte Station bilden heute die Gepäckbänder. Hier im Hintergrund fahren unentwegt Gepäcktransporter ein und aus, es ist stickig und hektisch. Alles Reize, von denen Cado kaum Notiz zu nehmen scheint. Während ein Flughafenmitarbeiter Koffer und Reisetaschen ablädt, macht er einen Satz aufs Band und beginnt mit der Suche. Cado läuft schnüffelnd zwischen dem Gepäck herum und lässt sich auch nicht beirren, als das Band eingeschaltet wird. Durch die Bewegung des Förderbandes können sich Gerüche verlagern, was die Aufgabe anspruchsvoller macht. Ganz nebenbei lehrt diese Übung auch eine unverzichtbare Trittsicherheit. „Die Hunde müssen überall rauf, wo es wackelt oder sich bewegt, ob Transportkiste oder Gepäckband“, so Druml.

Hin und wieder unterstützt Stefan seinen Hund, indem er ihn mit den Fingern zu Taschen und Koffern leitet, die noch abzusuchen wären. Am Boden schnüffle der Hund ohnehin, manche Stellen zeige man ihm aber einfach an. Zwischen 100 und 150 Passagiere sind in dieser spanischen Maschine inklusive Gepäck angekommen. Für die Hunde ist die Sucharbeit mitunter so anstrengend, dass sogar die Körpertemperatur um bis zu zwei Grad steigt. Verschnaufpausen sind nach maximal 20 Minuten Suche unerlässlich. Nach kaum fünf Minuten steht das Gepäckband dann wieder still, die Kontrolle ist vorbei. Alles sauber – und Cado macht jetzt Pause.

Erschienen im Universum Magazin, Dezember 2019
Hund Schnauze Riechen Journalist Texter marlene-erhart.at
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